Der Mann der die Welt aß.

Zwei Beiträge der Schauspielstudierenden Benjamin Janssen und Maik Rogge zur Aufführung „Der Mann der die Welt aß“ vom Theater und Orchester Heidelberg am letzten Samstag.

Benjamin Janssen macht den Anfang:

Das spartanisch eingerichtete Bühnenbild der Heidelberger Inszenierung von „Der Mann, der die Welt aß“, die weißen Vorhänge und der Schwerpunkt auf die Telefonate stellten in mir ein beklemmendes Gefühl der unüberbrückbaren Distanz zwischen den Figuren her.

Daniel Stock ließ mir keine Chance die Rolle des Sohnes kennenlernen/erforschen zu wollen, denn er verriet mir mit seinem Spiel bereits was jetzt als nächstes kommen würde, bevor er es selbst auf der Bühne erlebte. „Ich sehe die Absicht und bin verstimmt.“ Ich möchte Subtexte spüren und sie nicht überdeutlich vorgespielt bekommen. Die Szenen in denen sich der Sohn und sein dementkranker Vater begegnen, haben mich positiv sehr überrascht. Ronald Funke spielte diesen hilflosen, gedemütigten Mann so berührend, dass ich am liebsten auf die Bühne gesprungen wäre und gerufen hätte: „Hör auf deinen Vater zu schlagen!“

Die Eindrücke Maik Rogges:

Das Stück beginnt. Ein älterer Mann hustet ins Mikro und ruft seinen Sohn an um ihm mitzuteilen, dass er sich ein Stück von der Zunge abgebissen hat. Daniel Stock spielt den Sohn der jetzt fassungslos ist. Sein Leben beginnt ihm aus den Händen zu gleiten. Er wird Job, Freundin, den besten Freund, den Bruder und schließlich den Vater verlieren. Daniel Stock braucht eine Weile um sich warm zu spielen und wird später auf sehr überzeugende und berührende Weise dem Vater vorwerfen, dass er Schuld an dem Schlamassel ist, indem er den komplett nackt dastehenden Vater anbrüllt und ihn mit der Hand schlägt. Der Vater ist wehrlos weil er an Demenz leidet. Da Roland Funke den Vater mit einer Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit verkörpert, wird das Publikum von der Unbarmherzigkeit des Sohnes und der Unbeholfenheit des Vaters für einen Moment geschockt – auf intensive Weise. Ein Höhepunkt der Inszenierung.

Zunächst schien die Inszenierung etwas leise und brav zu beginnen doch im weiteren Verlauf zahlten sich die leisen, aber sehr gut gedachten Töne aus und führten zu einem sehr konzentrierten Spiel, dem es unmöglich war sich zu entziehen und die Vorstellung als Ganze sehr kurzweilig machten. Nach dem oben erläuterten Ausbruch zwischen Vater und Sohn zog sich das Ende etwas in die Länge. Jedoch eine gute Entscheidung die letzte Begegnung von Vater und Sohn so zu inszenieren, dass aus dem Spiel von Daniel Stock nicht eindeutig hervorgeht, was er im Off tun wird, nachdem er dem Vater beim Ankleiden geholfen hat mit den Worten: „Komm, zieh dir etwas an, wir fahren zum See“. Die Spielweise war fast durchgehend realistisch. Das Vertrauen auf die Situation zahlte sich zwar durch das konzentrierte Spiel aus jedoch fehlte der Inszenierung stellenweise der Mut oder schlicht der Wille die Konflikte in einem öffentlicheren, größeren Rahmen zu verhandeln um mehr Kontraste in den Abend und in die Figuren zu bringen, schließlich um die Figuren weniger vorhersehbar zu gestalten und zu überraschen. Die im Programmheft angedeutete „Ökonomisierung aller Verhältnisse, die längst bis in die Familie vorgedrungen ist“, ist deutlich spürbar. Im Gegensatz dazu ist die Not, die sich für jemanden darstellt, der „aus der Tretmühle des Kapitalismus aussteigen will“ und folglich von der Welt gefressen wird, leider nur in einigen wiederum sehr starken Momenten – wie den eingangs beschriebenen – spürbar und wird streckenweise auf einer zu alltäglichen, gemäßigten Ebene erzählt. Alles in Allem eine – im positiven Sinne – unverdauliche Kost, die berührt und etwas im Halse stecken bleibt.

 

 

 

 

 

 

Der Mann der die Welt aß. Theater und Orchester Heidelberg. Daniel Stock und Ronald Funke; Foto: Markus Kaesler.

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